„Es war
eine Köchin, die hieß Gretel, die trug Schuhe mit roten Absätzen, und wenn sie
damit ausging, so drehte sie sich hin und her, war ganz fröhlich und dachte:
,Du bist doch ein schönes Mädel.' Und wenn sie nach Haus kam, so trank sie aus Fröhlichkeit
einen Schluck Wein, und weil der Wein auch Lust zum Essen macht, so versuchte
sie das Beste, was sie kochte, so lang, bis sie satt war, und sprach: "Die
Köchin muß wissen, wie's Essen schmeckt.“
Grimms Märchen Gesamtausgabe,
Das kluge Gretel, Gondrom Verlag, 1976, S. 283, 1-7
Zur Buchillustrationen-Ausstellung
von Renate Seelig entwickelte ich ein märchenbezogenes Menü. Die Ursprünge
hierfür lagen in den klassischen Grimm’schen Texten.
Als Amuse Bouche servierte ich ein kleines Praliné aus Gänselebermousse mit
grünem Pfeffer, das ich in eiförmige Schokoladenhohlkörper spritzte und mit
Goldstaub bestrich: Die Gans, die goldene Eier legt.
Der erste Gang war Schneewittchen gewidmet. Er bestand aus einem sommerlich
frischen Kirsch-Gazpacho (rot wie Blut) mit Lardo (weiß wie Schnee) und in Zimt
gerösteten Pumpernickel-Scheiben (schwarz wie Ebenholz).
Als nächstes gab es passend zu Rapunzel ein Granita aus Feldsalat
(Rapunzel), Spinat und Rucola, dazu ein weiteres Granita mit Vinaigrette-Zutaten,
basierend auf Sherryessig. Einzeln waren die beiden Komponenten eher
gewöhnungsbedürftig: der „Salat“ schmeckte arg gesund und nach Wiese, während
der Essiggehalt der anderen Komponente beißend scharf war. Wenn man aber
ordentlich mixte und in seinem Servier-Weckglas stocherte, kam ein Wohlgeschmack
nach angemachtem Salat heraus. An jedem Weckglas hing noch eine Käseflûte, die
den Zopf Rapunzels symbolisierte.
Dritter Gang war ein Erbsenpüree mit gedämpftem Kabeljau und einem
Prinzessbohnensalat, der durch Knoblauch, Schnittlauch und Orangenzeste ordentlich
Schmackes hatte. Die Combo wurde mit gerösteten Haselnüssen bestreut und mit
einem außerordentlich guten Olivenöl beträufelt. Das hätte selbst der
„Prinzessin auf der Erbse“ gemundet.
Das Dessert war dem Märchen „Tischchen, deck dich“ gewidmet und bestand aus
einem Hybrid aus Käsegang und Süßspeise. In dem Märchen müssen die Bauernjungen
die Ziege zum Grasen auf die Weide bringen. Nachdem sich das Tier den Leib
vollgefressen hat, lügt es abends daheim den Bauern an und berichtet ihm, dass
sie „kein Blatt“ zu fressen gefunden habe. Also servierte ich einen
französischen Ziegenrohmilchkäse (Fleurons de Gachons) mit einem dickflüssigen
selbstgemachten und salzigen Pistazienöl, dazu eine wilde Mischung an „Blättern“
aus dem Vogelsberger Garten (Borretschblüten, Zitronenmelisse, Schafgarbe,
Minze, Estragon und Co.) und kandierte, gebrannte Pistazien.
Und in direkter Referenz zu einer Reihe der ausgestellten Aquarelle zu Märchen
aus dem Orient einen Cardamomtrüffel mit Earl Grey, Rosinenpüree und Ingwer.
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