Am
17. Oktober fand ein Performance Dinner in der Weinrebe am Lindenplatz statt. Es war eine Premiere, weil das
Konzept dieses Mal auf den Kopf gestellt wurde:
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Steinpilz-Brioche |
Nachdem
mich Marc Colavincenzo, Besitzer der Weinrebe,
darauf angesprochen hatte, ob wir nicht einmal Weine eines besonderen Weinguts
bekochen und erst Essen und Kunst passend zum Wein – nicht umgekehrt! –
aussuchen wollten, ließ ich mich auf dieses Experiment sehr gerne ein!
Das
Weingut Johanninger in Biebelsheim in der Nähe der Anbaugebiete Rheinhessen und
Nahe wird seit 1994 von den Herren Haas und Schufried sowie einem Kellermeister
geleitet. Von Sekt und Riesling über Silvaner bis hin zu Sauvignon Blancs,
Pinot Noirs und Tresterbränden bekommt man bei Johanninger eine große Auswahl
an Weinen höchster Qualität.
Ein
Performance Dinner „umgekehrt“ aufzubauen, macht erheblich mehr Arbeit – sehr
angenehme Arbeit allerdings! Erster Schritt war die Verkostung der Weine, die
Marc Colavincenzo zusammengestellt hatte und deren Abfolge der in einem klassischen
Menü entsprach. Beim Verkosten wurden viele Ideen ins Notizbuch gebannt und überlegt, was zu diesen überragenden Weinen passen könnte.
Zwei
Wochen später trafen wir uns erneut und es gab ein Probeessen mit den Weinen.
Hier saßen wir in einer Sechserrunde und schmeckten, rochen, kritisierten und
hatten eine Menge Spaß dabei. Nochmals eine Woche später, in der eine Menge
Feinschliff am Menü stattfand, gab es dann das eigentliche Performance Dinner.
Zur
Begrüßung wurde ein Sauvignon Blanc Brut ausgeschenkt, ein Sekt, der extrem
nach Cassisblättern und noch nicht reifem Holunder roch und auch eine leicht
herbe Geschmacksnote aufwies, dabei aber wunderbar fein war. Als Amuse Bouche
gab es Räuchermakrelen-Sabayon mit einem Basilikum-Thymian-Öl, welches in einem
goldgefärbten Ei serviert wurde - eine Reverenz vor den Glücklichen Fremdkörper-Skulpturen von Volker März.
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© Volker März: Glücklicher Fremdkörper IV |
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Räuchermakrelen-Sabayon |
Zum
ersten Gang bestehend aus einem Pinto-Bohnentaler auf
Palmherz-Kohlrabi-Trüffelgemüse gab es ein Glas Grünweiss, ein Wein der Sauvignon-Blanc-Trauben mit Grünem Silvaner
vermischt, sehr frisch daherkommt und gut mit etwas Basischem kombiniert werden
kann. Als Kunstwerk standen hier die Skulpturen von Thomas Rentmeister Pate,
der 2007 an diversen Orten Installationen mit Betonrollen in Pfannen gezeigt
hatte.
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Pintotaler auf Kohlrabi-Palmherzgemüse |
Fräulein Scheu,
eine aromatische Scheurebe, ist fruchtig herb und leichtfüßig elegant. Unserer
Meinung nach passt sie wunderbar zu etwas Gehaltvollem mit Fett und viel Aroma.
Nach viel Überlegen wurde hierzu eine Knollenselleriecreme mit Tallegio
serviert, auf der drei Pariser Gnocchi lagen. Pariser Gnocchi sind ohne
Kartoffeln zubereitet und bestehen aus einem Brandteig, der in diesem Fall mit
Petersilie verfeinert wurde. Das Ganze wurde von Maroni und frittierten Kapern
abgerundet. Dieser Gang erinnerte mich vor allem in seiner Farbigkeit an eine
Sequenz aus Matthew Barneys Cremaster
5, ein Film, der unter anderem in den
Budapester Gellertbädern spielt. Dort führt der Faun (gespielt von Barney) mit
seinen Nixen ein opernhaft anmutendes Wasserballett auf.
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Pariser Gnocchi |
Zum
schmelzig-aromatischen Pinot Gris Réserve, den wir uns alle sofort zu
Gänseleber, Brioche und Orange hatten vorstellen können, entwickelte ich etwas,
das an einen Frühstücksgang erinnerte. Zu einem Knusper aus stark geröstetem
Sauerteigbrot mit Mandelblättchen und frittierter geschredderter Entenbrust gab
es eine Grapefruit-Olivenöl-Creme sowie ein halbes weichgekochtes Ei mit
Sherryessigkaramell. Zu diesem etwas durchgeknallten, aber stimmigen Gang
präsentierte ich die Leinwandarbeit Domesticated
Animals der Niederländerin Tamara Muller. Die Künstlerin spielt in
ihrem Werk extrem mit der Perspektive. Immer arbeitet sie mit ihrem eigenen
Bildnis, das aber für alle Geschlechterrollen herhalten muss, und vereint
gekonnt fotorealistisch ausgearbeitete Szenen mit Skizzenhaft-Unvollständigem.
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© Tamara Muller: Domesticated Animals |
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Frühstücksei mit dreierlei Knusper |
Mit
dem Fischgang gingen wir ins Rotwein-Territorium über und schenkten einen Pinot
Noir aus, der uns geruchlich an Lakritz und Spekulatius erinnerte. Hierzu
servierten wir ein Stück in Olivenöl pochierten Lachs mit einer Lakritzcreme,
Brokkoli mit Vanillemayonnaise, sauer eingelegtem Radicchio und roten Zwiebeln.
Die teils klassischen Elemente sind hier neu und wild zusammengewürfelt und
spiegeln so das Bild Koi von Nikki
Pelaez wider – einer Künstlerin, der in der Vergangenheit bereits zwei
komplette Performance Dinners gewidmet wurden. Pelaez baut ihre Figuren aus den
unterschiedlichsten Elementen zusammen und bedient sich alter Bildelemente und
neuer Medien, die in vielen Schichten und verschiedenen Materialien immer
wieder überarbeitet werden. So entstehen romantische Bildwelten, die ästhetisch
sehr ansprechend wirken. Durch den Zusatz eines Fremdkörpers, der auf die Figur
gesetzt wird, bekommen die Arbeiten aber einen mysteriösen Touch und teils auch
etwas Unheimliches.
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© Nikki Pelaez: Koi |
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Pochierter Lachs mit Lakritz |
Beim P.N. & P., einem unglaublich
aromatischen und vielschichtigen Wein, der Pinot Noir und Pinot Précoce
(Frühburgunder) vereint, waren wir uns schnell einig, dass hier ein sehr
würziger Gang auf den Teller muss. Da mich der Duft entfernt an Bergamotte
erinnerte, waren mein Ausgangspunkt in Earl Grey eingelegte Trockenpflaumen,
die ich vor Jahren schon einmal zubereitet hatte. Darauf aufbauend entstand ein
24 Stunden im Ofen geschmorter Schweinebauch mit Sternanis, Zimt und Gemüse,
den wir mit frisch eingelegten Pflaumen in Wein und Essig, Süßkartoffelspalten
und -püree, geschwenkten Frühlingszwiebeln sowie zerbröselten Amarettikeksen
servierten: Der ultimative Herbstgang! Das passende Kunstwerk fand ich in
Corjan Nodelijs Mixed Media-Skulptur Clue,
einem Männchen mit Umhang, in dem Sternanis eingearbeitet ist.
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© Corjan Nodelijk: Clue |
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Preparation für den Schweinebauch |
Als
Dessert kam nach dem ersten Schluck der Chardonnay-Beerenauslese für mich nichts
anderes als eine Zitronentarte in Frage. Der Süßwein mit seines balsamischen
Noten, die auch einen Hauch von Eukalyptus aufwiesen, erinnerte mich an etwas
Buttriges, etwas Zitroniges und Honig. Um die Tarte ein wenig besonders zu
machen, verarbeitete ich in dem Teig geröstete Pinienkerne und servierte den
Kuchen mit einer Honigmascarpone. Und welche anderen Werke könnten dafür Pate stehen als Joseph Beuys' Capri Batterie und die Honigpumpe?!
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Zitronentarte |
Nach
diesem gelungenen Menü servierte Marc Colavincenzo noch einen Hefebrand von
Johanninger und ich einen Schokotrüffel, dessen sahnige Ganache mit demselben Schnaps
zubereitet worden war.
Ein durch und durch
gelungener Abend!