Montag, 3. Oktober 2011

Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt - Festlich Tafeln im Guerilla-Restaurant

Hier eine Abschrift aus der Gießener Allgemeinen vom 27. September 2011.

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Rolf Baltromejus ist in Gießen mittlerweile durch seine Performance-Dinner im Rathaus bekannt geworden. Die Idee, ein Fünf-Gänge-Menü zu entwerfen, dessen Gänge zeitge- nössischen deutschen Künstlerinnen gewidmet ist, setzt sich in seinem »Untergrund Restaurant« fort. Baltromejus lädt Liebhaber der Gourmetküche in seine private Wohnung ein und verköstigt sie nach allen Regeln der Kunst mit farbenfrohen Appetithappen. Nach dem Motto »Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt« führte das Guerilla-Restaurant am Freitagabend acht kommunikationsbereite Menschen an einem liebevoll eingedeckten Tisch zusammen.

Es fühlt sich schon ein wenig sonderbar an, wenn man die Stufen zu einer fremden Woh- nung im obersten Stockwerk eines Wohnhauses in der Innenstadt erklimmt im Bewusst- sein, nicht zu wissen, mit wem man sogleich an einem Tisch sitzen und speisen wird. Nach einem Glas Prosecco läuft alles wie von alleine. Es klingelt an der Tür, die nächsten Gäste treten ein – und was für eine Überraschung, man kennt sich. Im Laufe des Abends entwickeln sich Gespräche in geselliger Runde, in der Menschen mit den unterschiedlichsten Berufen zusammengefunden haben.

Es wird viel gelacht und viel geredet, sodass Baltromejus immer wieder die schwungvolle Konversation unterbrechen muss, um erneut die Aufmerksamkeit auf den nächsten Gang zu legen. Denn begleitend zu den dargebotenen Köstlichkeiten kommentiert der Gourmet selbst seine Ideen zur Wahl der ungewöhnlichen Zutaten. »Die marinierte Schweineschwarte, verbrüdert mit Orangenschalen, Zimt und Fenchelsamen« wird frittiert, um mit einer Guacamole als Amuse Bouche den Gaumen runterzurutschen«, beschreibt der Koch sein erwähltes Hors d’œuvre. Angelehnt an Frida Kahlos Stilleben »Früchte der Erde, 1939« serviert der Künstler im ersten Gang Maissuppe mit Pimento-Creme und frischem Koriander. Die Köstlichkeiten in den darauffolgenden Gängen finden sich im Bild »Die Braut erschrickt vor dem offenen Leben, 1943« wieder.

Die Zutaten bekommt Baltromejus nicht immer im Supermarkt um die Ecke. Für die Habanero-Chilis, die zu den schärfsten Chilis überhaupt gehören, fährt der Künstler in die Markthallen nach Frankfurt, um dort stundenlang Zutaten zusammenzusuchen. Zum Ceviche vom Wolfsbarsch mit Kokosmilch und den scharfen Habanero-Chilis passt ein Riesling aus dem Rheingau.

Baltromejus kocht mit viel Leidenschaft. Inspiriert wurde der gebürtige Laubacher, der in London Bildhauerei studiert hat, durch Kerstin Rodgers, die einen »Supper Club« in London führt. Für das Hauptgericht, das einst das Hochzeitsmahl von Frida Kahlo stellte, werden verschiedene Chilisorten geschnippelt, mit Kochbananen, Rosinen und Pflaumen geköchelt, bevor sie durch ein Sieb gestrichen werden. Das Ergebnis, Mole Poblano zur marinierter Putenbrust, ist ein kolossales Geschmackserlebnis. »Alles was in der Mole ist, muss erst mal mit heißem Schmalz in Berührung kommen«, so der Kochkünstler. Zum Nachtisch hin wird es abenteuerlich. Denn mit den Worten »Macht euch keine Sorgen, es ist garantiert nichts hier drin, was man in einem Lebensmittelgeschäft kaufen kann« wird der letzte Gang serviert: Mangosorbet auf Puderbett bestehend aus getrocknetem Karamel. Der experimentierfreudige Koch, der ein treuer Anhänger der Molekularküche ist, wanderte hierfür durch mehrere Geschäfte und Apotheken, um die Zutaten für seine Nachspeise zu finden: Glucosesirup und Maltodextrin. Wer sich traut, seinen Weg in Baltromejus Guerilla-Küche zu finden, halte aufmerksam nach einer Einladung Ausschau.

Dagmar Titsch

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