Mittwoch, 23. Juli 2014

Klaus Fußmann - Blütenmenü

Zwei Abende im Juli, zweimal Sommer, Sonne und Hitze pur! Zweimal Vorbereitungen unter erschwerten Bedingungen:
Am Samstag, dem 12. Juli, war das erste Performance-Dinner (das zweite folgte am 19.7.) zur Klaus-Fußmann-Ausstellung im Oberhessischen Museum Gießen geplant. Am Tag zuvor hatten noch die finalen Aufbauarbeiten für die Dalip-Vernissage in der Gießener Galerie am Dom angestanden. Und ich mittendrin: Bilder aufhängen, Skulpturen vermessen, Preisschilder ausdrucken etc. Dann noch eine Führung durch die kleine Plockumenta-Ausstellung in der Plockstraße. Das hieß dann Nachtschicht für die Essensvorbereitungen.
Glücklicherweise waren beide Samstage selbst gar nicht so stressig – das lag vor allem auch an meinem italienischen Küchenassistenten, Edoardo Novelli, den ich bei dem Festival Tanzart Ost West kennen gelernt hatte.
Beide Abende waren ausgebucht, und sie begannen mit einem angenehmen Gefühl des Aufgeregtseins (so wie beim allerersten Dinner). Die Aufregung legte sich aber schnell zu einem Glass Valentin Frizzante Rosé Sekt mit Rosensirup und -blättern.
Auf der eingedeckten Tafel fanden sich Brötchen mit Sonnenblumenkernen und Polenta, auf die eine Gewürztagetes gesteckt war. Dazu gab es eine Kräuterbutter mit Petersilie, Koriander und Estragon.

Die Dinner-Tafel
Polenta-Sonnenblumkernbrötchen mit Tagetes

Kräuterbutter
Zu den üppigen Pflanzenbildern an der Wand entwickelte ich auch den Rest des Menüs mit Blumenelementen. Der Bauerngarten, den Fußmann an seinem Haus in Gelting hat, inspirierte mich zu folgendem Menü:
Als Gruß aus der Küche gab es ein gefülltes Ei mit Tomate auf Kapuzinerkresseblüte und -blatt.

Gefüllte Eier

Der erste Gang bestand aus einem Tukmaria-Pudding, also gequollenem Basilikumsamen, in püriertem Basilikumwasser. Dazu eine Maiscreme, rohen Zucchinisalat mit Ziegenquark und Bohnen.
                            
Tukmariagang mit Zucchini

Der Fischgang erinnerte an den Frühling. Es war ein Flusskrebssalat mit Apfel, der von fächerförmig abgedeckten, eingelegten Rettichscheiben bedeckt war und aus dem violette Hornveilchen sprossen.

Flusskrebssalat mit Rettich

Nun war es an der Zeit, dass Edoardo Novelli sich seiner wahren Begabung zuwandte. Er ist nicht nur ein erfahrener Koch, sondern auch ausgebildeter Balletttänzer und war bis vor kurzem Mitglied im Tanz-Ensemble des Giessener Stadttheaters. Zwischen zweitem Gang und Hauptgericht warf er sich in sein Kostüm: Er trug weißes Makeup in seinem Gesicht auf, zog ein schwarzes Kleidchen und Ballerinas an und begann, mit dem Publikum zu spielen. Erst agierten die Teilnehmer nur zögerlich mit dem Tänzer, doch schwand die Scheu schnell. Zum zweiten Lied ließ Edoardo sich das Kleid vom Leib ziehen und tanzte eine klassische Sequenz; am zweiten Abend gab er an dieser Stelle ein Stück von Edith Piaf zum Besten. Auch für mich waren beide Einlagen sehr spannend, hatte ich ihm doch für die Erarbeitung der Szenen carte blanche gegeben.

Edoardo Novelli
Edoardo Novelli


Edoardo Novelli

Nach diesem begeisternden Zwischenakt gab es als Hauptgang marinierte, entbeinte Hühnerschenkel in Aprikosenmarmelade und Worcestershiresauce, dazu frische und getrocknete Thymian-Aprikosen, Erdnusskrokant mit Röstzwiebeln und eine durch Zitronenöl  frisch gehaltenen Munstercreme.

Huhn mit Aprikosen

Der süße Abschluss bestand aus einer Erdbeervariation mit Kamillengelee, Suppe und dazu eine Honig-Milch-Granita.

Erdbeervariation mit Kamille

Mit den Pralinen schlossen wir den Kreis und servierten wieder etwas auf Rosen-Basis: Gin-Gurkentrüffel mit Rosenwasser und kandierten Rosenblättern.

Gin-Rosen-Trüffel


Dienstag, 22. Juli 2014

Gießener Anzeiger - Wenn man Kunst schmecken kann

Wenn man Kunst schmecken kann (Gießener Anzeiger, 17.07.2014)

Edoardo Novelli wirbelte durch die Fußmann-Ausstellung. <br />
Foto: Scholz
Edoardo Novelli wirbelte durch die Fußmann-Ausstellung.
Foto: Scholz

VIER-GÄNGE-MENÜ Performance-Dinner mit Eat-Art-Künstler Rolf Baltromejus und Tänzer Edoardo Novelli im Oberhessischen Museum
GIESSEN - (olz). Wenn man die Ausstellung „Klaus Fußmann“ im Oberhessischen Museum essen könnte: Wie würde sie wohl schmecken? Eine eindrucksvolle Antwort darauf hat der heimische Eat-Art-Künstler Rolf Baltromejus bei einem seiner Performance-Dinner im Museum gegeben. Diesmal gab es allerdings nicht bloß richtig gutes Essen. Das Vier-Gänge-Menü wurde vielmehr flankiert von einem Auftritt des Tänzers Edoardo Novelli, der von den 16 Gästen des Abends kräftig Applaus bekam.
Zunächst mal einen Blick in die Museumsküche am Veranstaltungsbeginn geworfen: Zusammen mit vier Helfern bereitet Baltromejus, der längst in der Region bekannt ist und sich von Kunstausstellungen zu seinen Kreationen inspirieren lässt, gerade den ersten Gang des Dinners zu. Auf engem Raum wird hoch konzentriert und präzise gearbeitet. Das ist umso beachtlicher, als die Bedingungen in der Küche nicht die besten sind. Es wird von Hand gespült, statt eines Herdes gibt es bloß ein kleines Kochfeld, was für den Künstler reichlich Vorbereitung und exakte Koordination am Veranstaltungsabend bedeutet – am gehobenen Niveau der Speisen ändern die Arbeitsbedingungen nichts. Sie gehen pünktlich raus und sind echte Gaumenfreuden und Augenweiden. Kunstwerke eben.
Die Gäste kriegen von der Arbeit nichts mit. Sie sitzen an einer großen Tafel im Ausstellungssaal mitten zwischen den bekannten Blumenbildern von Klaus Fußmann und genießen einen schönen Abend. Nun aber die Katze aus dem Sack: Wie schmeckt die Fußmann-Ausstellung nach den Vorstellungen von Baltromejus? Mal einen Blick in die Speisekarte geworfen. Es gibt: Tukmaria-Pudding mit Zucchini, Bohnen und Mais, marinierten Rettich mit Flusskrebsen, Aprikosenhuhn mit Munster-Crème und Erdnusskrokant sowie zum Dessert Erdbeervariationen mit Kamille. Das klingt exquisit und ist es auch, denn Baltromejus kocht auf hohem Niveau.
Eine halbe Stunde später. Die Gänge eins und zwei sind raus. In der Küche macht sich erste Entspannung breit, während die Gäste im Saal eine Überraschung erleben. Denn zum ersten Mal ist Novelli bei einem der Dinner dabei, im Sinne freundschaftlicher Unterstützung für den Künstlerkollegen. Er gibt einige klassische Figuren zum Besten, doch die Besucher müssen auch mitmachen. Der Tänzer, der durch seine Arbeiten am Stadttheater in der Region bekannt geworden ist, läuft von Gast zu Gast und fordert auf. Ein kurzer Moment der Zurückhaltung – dann sind die Damen durchaus bereit, mit dem Tanzprofi durch die Fußmann-Ausstellung zu wirbeln. Circa zehn Minuten dauert der Auftritt, dann zieht sich Novelli unter eifrigem Beifall zurück. Und zwar in die Küche, um den Freundschaftsdienst auf andere Art fortzusetzen, nämlich an Herd und Spüle.
Übrigens: Das Fußmann-Dinner wird am kommenden Samstag wiederholt, der zweite Termin ist allerdings bereits jetzt wieder ausgebucht.
So richtig verwundern kann das nicht, denn Baltromejus guter Ruf ist verdient und hart erarbeitet. Bloß ein Blick auf den Hauptgang am Samstagabend macht richtig Appetit, und wer die leeren Teller in die Küche zurückkommen sieht, weiß: Den Gästen hat´s geschmeckt, das Vier-Gänge-Menü á la Ausstellung Klaus Fußmann.