Mittwoch, 21. Oktober 2015

Johanninger Performance Dinner


Am 17. Oktober fand ein Performance Dinner in der Weinrebe am Lindenplatz statt. Es war eine Premiere, weil das Konzept dieses Mal auf den Kopf gestellt wurde:

Steinpilz-Brioche
Nachdem mich Marc Colavincenzo, Besitzer der Weinrebe, darauf angesprochen hatte, ob wir nicht einmal Weine eines besonderen Weinguts bekochen und erst Essen und Kunst passend zum Wein – nicht umgekehrt! – aussuchen wollten, ließ ich mich auf dieses Experiment sehr gerne ein!

Das Weingut Johanninger in Biebelsheim in der Nähe der Anbaugebiete Rheinhessen und Nahe wird seit 1994 von den Herren Haas und Schufried sowie einem Kellermeister geleitet. Von Sekt und Riesling über Silvaner bis hin zu Sauvignon Blancs, Pinot Noirs und Tresterbränden bekommt man bei Johanninger eine große Auswahl an Weinen höchster Qualität.

Ein Performance Dinner „umgekehrt“ aufzubauen, macht erheblich mehr Arbeit – sehr angenehme Arbeit allerdings! Erster Schritt war die Verkostung der Weine, die Marc Colavincenzo zusammengestellt hatte und deren Abfolge der in einem klassischen Menü entsprach. Beim Verkosten wurden viele Ideen ins Notizbuch gebannt und überlegt, was zu diesen überragenden Weinen passen könnte.

Zwei Wochen später trafen wir uns erneut und es gab ein Probeessen mit den Weinen. Hier saßen wir in einer Sechserrunde und schmeckten, rochen, kritisierten und hatten eine Menge Spaß dabei. Nochmals eine Woche später, in der eine Menge Feinschliff am Menü stattfand, gab es dann das eigentliche Performance Dinner.

Zur Begrüßung wurde ein Sauvignon Blanc Brut ausgeschenkt, ein Sekt, der extrem nach Cassisblättern und noch nicht reifem Holunder roch und auch eine leicht herbe Geschmacksnote aufwies, dabei aber wunderbar fein war. Als Amuse Bouche gab es Räuchermakrelen-Sabayon mit einem Basilikum-Thymian-Öl, welches in einem goldgefärbten Ei serviert wurde - eine Reverenz vor den Glücklichen Fremdkörper-Skulpturen von Volker März.

© Volker März: Glücklicher Fremdkörper IV
Räuchermakrelen-Sabayon

Zum ersten Gang bestehend aus einem Pinto-Bohnentaler auf Palmherz-Kohlrabi-Trüffelgemüse gab es ein Glas Grünweiss, ein Wein der Sauvignon-Blanc-Trauben mit Grünem Silvaner vermischt, sehr frisch daherkommt und gut mit etwas Basischem kombiniert werden kann. Als Kunstwerk standen hier die Skulpturen von Thomas Rentmeister Pate, der 2007 an diversen Orten Installationen mit Betonrollen in Pfannen gezeigt hatte.

Pintotaler auf Kohlrabi-Palmherzgemüse

Fräulein Scheu, eine aromatische Scheurebe, ist fruchtig herb und leichtfüßig elegant. Unserer Meinung nach passt sie wunderbar zu etwas Gehaltvollem mit Fett und viel Aroma. Nach viel Überlegen wurde hierzu eine Knollenselleriecreme mit Tallegio serviert, auf der drei Pariser Gnocchi lagen. Pariser Gnocchi sind ohne Kartoffeln zubereitet und bestehen aus einem Brandteig, der in diesem Fall mit Petersilie verfeinert wurde. Das Ganze wurde von Maroni und frittierten Kapern abgerundet. Dieser Gang erinnerte mich vor allem in seiner Farbigkeit an eine Sequenz aus Matthew Barneys Cremaster 5, ein Film, der unter anderem in den Budapester Gellertbädern spielt. Dort führt der Faun (gespielt von Barney) mit seinen Nixen ein opernhaft anmutendes Wasserballett auf.

Pariser Gnocchi

Zum schmelzig-aromatischen Pinot Gris Réserve, den wir uns alle sofort zu Gänseleber, Brioche und Orange hatten vorstellen können, entwickelte ich etwas, das an einen Frühstücksgang erinnerte. Zu einem Knusper aus stark geröstetem Sauerteigbrot mit Mandelblättchen und frittierter geschredderter Entenbrust gab es eine Grapefruit-Olivenöl-Creme sowie ein halbes weichgekochtes Ei mit Sherryessigkaramell. Zu diesem etwas durchgeknallten, aber stimmigen Gang präsentierte ich die Leinwandarbeit Domesticated Animals der Niederländerin Tamara Muller. Die Künstlerin spielt  in ihrem Werk extrem mit der Perspektive. Immer arbeitet sie mit ihrem eigenen Bildnis, das aber für alle Geschlechterrollen herhalten muss, und vereint gekonnt fotorealistisch ausgearbeitete Szenen mit Skizzenhaft-Unvollständigem.

© Tamara Muller: Domesticated Animals
Frühstücksei mit dreierlei Knusper

Mit dem Fischgang gingen wir ins Rotwein-Territorium über und schenkten einen Pinot Noir aus, der uns geruchlich an Lakritz und Spekulatius erinnerte. Hierzu servierten wir ein Stück in Olivenöl pochierten Lachs mit einer Lakritzcreme, Brokkoli mit Vanillemayonnaise, sauer eingelegtem Radicchio und roten Zwiebeln. Die teils klassischen Elemente sind hier neu und wild zusammengewürfelt und spiegeln so das Bild Koi von Nikki Pelaez wider – einer Künstlerin, der in der Vergangenheit bereits zwei komplette Performance Dinners gewidmet wurden. Pelaez baut ihre Figuren aus den unterschiedlichsten Elementen zusammen und bedient sich alter Bildelemente und neuer Medien, die in vielen Schichten und verschiedenen Materialien immer wieder überarbeitet werden. So entstehen romantische Bildwelten, die ästhetisch sehr ansprechend wirken. Durch den Zusatz eines Fremdkörpers, der auf die Figur gesetzt wird, bekommen die Arbeiten aber einen mysteriösen Touch und teils auch etwas Unheimliches.

© Nikki Pelaez: Koi
Pochierter Lachs mit Lakritz




Beim P.N. & P., einem unglaublich aromatischen und vielschichtigen Wein, der Pinot Noir und Pinot Précoce (Frühburgunder) vereint, waren wir uns schnell einig, dass hier ein sehr würziger Gang auf den Teller muss. Da mich der Duft entfernt an Bergamotte erinnerte, waren mein Ausgangspunkt in Earl Grey eingelegte Trockenpflaumen, die ich vor Jahren schon einmal zubereitet hatte. Darauf aufbauend entstand ein 24 Stunden im Ofen geschmorter Schweinebauch mit Sternanis, Zimt und Gemüse, den wir mit frisch eingelegten Pflaumen in Wein und Essig, Süßkartoffelspalten und -püree, geschwenkten Frühlingszwiebeln sowie zerbröselten Amarettikeksen servierten: Der ultimative Herbstgang! Das passende Kunstwerk fand ich in Corjan Nodelijs Mixed Media-Skulptur Clue, einem Männchen mit Umhang, in dem Sternanis eingearbeitet ist.

© Corjan Nodelijk: Clue
Preparation für den Schweinebauch






Als Dessert kam nach dem ersten Schluck der Chardonnay-Beerenauslese für mich nichts anderes als eine Zitronentarte in Frage. Der Süßwein mit seines balsamischen Noten, die auch einen Hauch von Eukalyptus aufwiesen, erinnerte mich an etwas Buttriges, etwas Zitroniges und Honig. Um die Tarte ein wenig besonders zu machen, verarbeitete ich in dem Teig geröstete Pinienkerne und servierte den Kuchen mit einer Honigmascarpone. Und welche anderen Werke könnten dafür Pate stehen als Joseph Beuys' Capri Batterie und die Honigpumpe?!

Zitronentarte

Nach diesem gelungenen Menü servierte Marc Colavincenzo noch einen Hefebrand von Johanninger und ich einen Schokotrüffel, dessen sahnige Ganache mit demselben Schnaps zubereitet worden war.

Ein durch und durch gelungener Abend!