Dienstag, 13. Dezember 2011

Kubelka, Himbeeren & ich


Am vergangenen Mittwoch gab es eine Veranstaltung mit Peter Kubelka im Frankfurter Weltkulturen-Museum. Im Rahmen der Reihe „The World in a Spoon“ machte Kubelka eine Performance (oder hielt einen Vortrag?) zu Metaphern.

Und wie es so oft ist, kamen wir gerade so pünktlich im Museum an, als auch schon sämtliche Sitzgelegenheiten belegt waren. Wir standen im Türrahmen, es war heiß und eng. Nach zwei Einführungen durch die Direktorin und den Initiator der Essen & Kunst-Reihe kam Kubelka. Dieser wollte aber ohne Mikro arbeiten und war so nur undeutlich zu verstehen, als er etwas von seiner Kindheit erzählte und davon, wie er einst mit seiner Mutter Himbeeren pflücken gegangen war. Er sprang dann hunderttausende Jahre zurück und untersuchte eine Metapher zum Angezogensein und zum Barfusslaufen. An dieser Stelle holte er ein Paar Sandalen von einem der drei Requisitentische, die um ihn herum aufgebaut waren: Erstens ein Tisch mit verschiedenstem Schuhwerk, zweitens rechts von ihm ein Tisch, der mit Wurstwaren belegt war, und drittens links vom Künstler ein Tisch mit unterschiedlichen Küchenutensilien.

Von unserer Position aus bekam man nicht viel mit, aber die Geschichte mit den Himbeeren im frühen Sommer, das Naschen und das Verarbeiten zu Marmeladen und co. ergaben ein wunderbares Bild, das mich in der kalten Jahreszeit innerlich erwärmte und an Sommer, laue Winde und Grasgeruch denken ließ.

Wir gingen relativ bald aus dem Museum, um uns einen schönen Abend in einer Sachsenhäuser Kneipe zu machen.

Hier ist aber noch ein Bild für ein Kubelkasches Törtchen. Buttermürbeteig mit Zitronenmascarpone und Sommerfrüchten!



Sonntag, 20. November 2011

Küchendiven und messerscharfe Kirschen

http://www.giessener-allgemeine.de/Home/Stadt/Stadtkultur/Artikel,-Performance-Dinner-zur-Elvira-Bach-Ausstellung-_arid,300969_regid,1_puid,1_pageid,266.html

Montag, 7. November 2011

Katharina Fritsch, zum Zweiten

Die Tage scheinen golden, aber gegen 17 Uhr verdüstert sich der Himmel. Es wird windig und der Abend bricht innerhalb weniger Minuten herein.

Es ist der zweite Abend des Performance-Dinners zu Katharina Fritschs Installation „Tischgesellschaft“.

Die Gäste sind dieses Mal fast ausschließlich bekannte Gesichter - sogenannte Wiederholungstäter.

Nach einem kurzen Aufenthalt auf dem Balkon mit den ersten Gästen kommt auch das dritte Ehepaar. Mit einem Glas Prosecco in der Hand erläutere ich die „Tischgesellschaft“. Für mich ist diese Arbeit Fritschs typisch deutsch, was mich dazu inspirierte, eine Art deutschen Abend zu entwickeln. Hierbei ließ ich aber Altbekanntes wie Sauerkraut und Rippchen außen vor. Wichtig war mir, das Menü mit Erinnerungen an Gerichte aus meiner Kindheit zu spicken, diese aber so zu modifizieren, dass das Ergebnis feiner wurde und sich vor allem auch optisch mit meinem Kunstempfinden verband.

Anders als ein traditioneller Bildhauer arbeite ich nicht mit Hammer und Meißel, sondern zerkleinere, trockne, rehydriere, püriere, streiche durch Siebe und richte die einzelnen Komponenten dann auf Tellern an. Diese kleinen Kunstwerke sind von kurzer Dauer, denn innerhalb von fünf bis zehn Minuten ist der Teller leer gegessen. Was bleibt, sind die Fotos, die man teilweise hier findet!



Warten auf die Gäste


Die Performance-Dinner-Tafel


Vier von sechs Gästen


Die "Tischgesellschaft" in Kopie


Das Amuse Bouche




Quittenbrot als Betthupferl

Jeff Koons: Baroque Egg with Bow


Picture credit: http://www.blogcdn.com/www.luxist.com/media/2009/05/jeff-2ch.jpg

Baroque Egg with Bow (Turquoise/Magenta)

1994 - 2008, hochverchromter rostfreier Stahl mit transparentem Farbüberzug, 212,1 x 196,9 x 152,4 cm³, Collection Margaret und Daniel Loeb

Auf den Besuch in der Nationalgalerie habe ich mich gefreut, denn ich mag die Skulpturen von Koons. Sie erfreuen mich. Auch bei diesem Besuch fand ich die Arbeiten sehr spannend und habe mir die einzelnen Werke ausführlich angeschaut. Vor allem die eiförmigen Skulpturen haben es mir angetan.

Doch kaum war ich aus der Galerieatmosphäre ausgetreten, hinterließ die Ausstellung eine Leere in mir. Mir war nicht bewusst, was die Arbeiten zu bedeuten hatten. Das einzige, woran ich denken konnte, war Schokolade. Schokolade in einer tollen Verpackung. Schokolade, die genauso gut schmecken würde, wie die Verpackung ausschaut.

Ich habe einen Auftrag; denke an Ganache.

An zartbittere Schokolade, die mit geschmeidiger Sahne zu dieser wollüstigen Creme aufgeschlagen wird. Noch etwas Likör, um dem Ganzen einen kleinen Kick zu verpassen und die leicht bittere Note eingemachter Kirschen.

Jetzt weiß ich schon, dass ich etwas ganz Delikates bald auf der Zunge zergehen lassen kann, denn die Kombination scheint perfekt

Die Sahne ist üppig, die Ganache also mächtig, aber delikat zugleich; der Likör besitzt die süße Säure eines gut gebrannten Schnapses. Nicht zu süß, mit hoher Prozentzahl, so dass er es mit der Schokolade aufnehmen kann. Die Kirschen von Griottines bersten vor Geschmack, der eine perfekte Gegenbalance zur Sahne bildet. Die Schokolade mit leichter Kirschnote, so wie Amedei's Toscana mit 66 % Kakaoanteil, fügt sich in die Reihe der anderen Zutaten.

Kalt gestellt wird die Ganache fast so hart wie gekühlte Butter; ich steche walnussgroße Stücke ab und forme sie schnell zu Pralinen. Zwischendurch muss ich die Hände unter eiskaltem Wasser abkühlen, bis es weh tut. Hier geht es um Schnelligkeit und Präzision. Auf Backpapier gelegt lasse ich die Pralinen nochmals im Kühlschrank anziehen. Währendessen temperiere ich mehr Schokolade in einer baine-marie. Hier habe ich Zeit, langsam muss es gehen, bei kleiner Hitze, das Wasser darf den Boden der Schüssel, in der die Schokolade ruht, nicht berühren. Gewünscht ist das Aroma von langsam freigesetzten Nuancen, ein hoher Glanz und dieser berühmt-berüchtigte mouth feel.

Daraufhin forme ich die Pralinen nochmals zu perfekten Kugeln, tunke sie mit Pralinenbesteck in die warme Schokolade, tropfte sie ab und lege sie auf Backpapier zum Anziehen. Reihen über Reihen von makellosen Schokolade-Bomben werden so produziert. Noch bevor die Schokolade ganz angezogen ist, bestreue ich sie leicht mit einer Mischung aus Puderzucker und im Mörser zerstoßenen roten Beeren.

Ein Gefühl des Stolzes stellt sich bei mir ein und ich mache eine verdiente Pause.

Ich denke an die Verpackung.

Die perfekten Pralinen wollen eine Verpackung, die noch einmal widerspiegelt, wie viel Arbeit, Gefühl und Geschmack in ihnen steckt. Das ovale Gefäß habe ich bereits. Ich habe es in Auftrag gegeben, nur für diesen Zweck; in liebevoller Handarbeit wurde es hergestellt, während ich mit Argusaugen darauf achtete, dass auch kein einziger Makel hineingelangte. Ich lege etwas Seidenpapier in die zwei Schalen, die nun vor mir liegen, und mit behandschuhten Fingern gebe ich die Pralinés hinein. Dann noch etwas Seidenpapier zum Schutz darauf, und ich verschließe das eiförmige Gefäß.

Zur Dekoration habe ich etwas türkisfarbene Folie, die einen wunderbaren crinkle-Effekt bekommt, wenn man versucht, sie um das Ei zu drapieren. Ich glätte manche Flächen, bin aber vorsichtig darauf bedacht, das kleine Furchen beibehalten bleiben. Zum Schluss binde ich eine magentafarbene Schleife darum und betrachte mein Werk.

Noch an diesem Tag sollen alle Pralinen gegessen werden und ich lasse es mir nicht nehmen, dieses wunderbare Geschenk selbst zu überbringen.

Am nächsten Tag bekomme ich Nachricht, wie exquisit diese kleinen Kugeln doch waren, wie aufreizend die Verpackung, wie sie erst hin und her gedreht und dann mit einer kindlichen Freude aufgerissen wurde, um schnell das erste Praliné in den Mund zu stecken. Gierig wurde gesaugt und gelutscht und - vor lauter Verzweiflung und Angst, nicht alle Aromen zu schmecken - auch gekaut, um diese noch schneller aus den Schokoladeschichten herauszusaugen. Nur wenige Sekunden ließ man die zweite Praline auf der Zunge zergehen. Diesmal mit der aristokratischen Würde, die man von ihr immer erwartet. Ja, es hat nur wenige Stunden gedauert, bis die süße Versuchung ganz aufgelutscht war.

Sonntag, 30. Oktober 2011

Elvira Bach


Die Performance-Dinner-Tafel


Vor etwa 15 Jahren sah ich meine erste „Küchendiva“ von Elvira Bach: ein kleines Bild mit einer kartoffelschälenden Frau. Das Gemälde befand sich in einem wunderschönen dunkelblauen Rahmen, der mit kleinen Messern von Zwilling versehen war. Seitdem verfolge ich das Werk der Künstlerin in regelmäßigen Abständen sehr aufmerksam, bis ich mich wieder für eine gewisse Zeit an ihr satt gesehen habe.

Mit dem ersten Plakat für die Gießener Ausstellung im Oberhessischen Museum kehrte wieder einmal die Lust auf Bach zurück. Nachdem ich der Künstlerin bereits bei dem Rosa-Loy-Performance-Dinner in der Kunsthalle Gießen einen Gang gewidmet hatte, wollte ich nun einen ganzen Abend für sie kreieren. Nach kurzer Absprache mit dem Museumsleiter bekam ich grünes Licht und fing an, ein Konzept für den Abend zu entwickeln.



In der "Küche"

Im Gegensatz zur Bildhauerei, mit der ich meinen Bachelor bestritten habe, arbeite ich inzwischen nicht mehr mit Stein, oder Gips; vielmehr setzt sich meine künstlerische Arbeit nun schon seit über einem Jahr mit den unterschiedlichen Zubereitungsmöglichkeiten für Nahrungsmittel auseinander. Ich schnitze Gemüse, blanchiere es, püriere, dehydriere, streiche durch Siebe und bringe die Grundzutaten in einen neuen Zustand. Diese Kunstwerke aus Essen, das mit anderen Elementen auf einen Teller kommt, werden zelebrierend zur Schau gestellt und innerhalb weniger Minuten verzehrt. Was bleibt, ist die Dokumentation.

Schnell war mir für den Elvira-Bach-Abend klar, dass Kartoffeln, Erdbeeren, Kirschen und Radieschen eine prominente Rolle spielen würden.

Für den ersten Abend im Oberhessischen Museum begann ich bereits drei Tage vorher mit den Vorbereitungen. In einem für mich gemächlichen Tempo stand ich zwar immer den ganzen Tag in der Küche, aber es brach (anders als bei früheren Performance-Dinners) kein Stress aus. Nichtsdestotrotz kam der Samstag schneller als gedacht. Mit drei Helfern trug ich mehrere Bananenkisten voller Teller, Gläser, und vor allem Lebensmitteln ins Museum und richtete den Tisch her. Der Abend war voll ausgebucht: mit Wiederholungstätern, aber auch mir unbekannten Teilnehmern.

Hier ein paar Eindrücke des Performance-Dinners zu Ehren von Elvira Bach!

Amuse Bouche: Kartoffelchips mit Zartbitterschokolade, Anis und Fenchel


Vorspeise: Sauerkirschmousse mit knusprigem Serranoschinken



Zwischengang: Radieschen in Malzerde

Hauptgang: Hähnchenconfit mit Kartoffelpüree, eingelegten Quitten und Bohnensalat



Dessert: Hibiskusgelee mit Limoncello-Radieschen und Kirschsauce


Montag, 24. Oktober 2011

Tischgesellschaft


Ein kurze Begrüßung und ein Glas Prosecco, dann die einleitenden Worte zu Katharina Fritschs Installation „Tischgesellschaft“:

Hergestellt 1988, nach kurzem Ausstellungsstopp in Basel im Frankfurter MMK ansässig. Das Multiple besteht aus einer langen Tafel mit einer stilisierten rot-weißen Tischdecke und zwei Bänken, auf denen jeweils 16 identische männliche Körper sitzen. Diese Körper sind einem Freund der Künstlerin nachgebildet; sie bestehen aus Polyester und sind schwarz angemalt.

Die Ausstrahlung der Arbeit hat etwas Sinistres - im Gegensatz zum Titel „Tischgesellschaft“, bei dem man automatisch an ein leckeres Essen mit guten Freunden denkt, kommt hier keine heimelige Stimmung auf. Dies wollte ich mit einem „deutschen Abend my way“ ändern und nahm diese Arbeit als Grundidee für ein weiteres Performance-Dinner.



Die Gäste ahmen die "Tischgesellschaft" nach.


Das Amuse Bouche war ein gefülltes Ei mit Räucherlachs und hatte so einen gewissen Retro-Charakter, der aber durch eine Forellenkaviargarnitur aufgepeppt wurde.


Der erste Gang bestand aus einem weißen Bohnenpüree auf Ahornsirupreduktion mit einem Grüne-Bohnen-Mandel-Salat und geröstetem Knoblauch. Als feine Süße gab’s noch ein Stück Apfel, der in einem Weißwein-Zuckersirup pochiert worden war.

Den Gästen schmeckte es so gut, dass ich noch die letzten Reste des Sirups aus dem Topf kratzte und Löffelchen verteilte.



Als zweiten Gang servierte ich einen Salat aus Frühlingszwiebeln mit Aschemus, gerösteter Haselnusspaste und Joghurt. Dieser Gang spaltete die Meinungen. Manche mochten die Asche nur in sehr kleiner Dosis, andere schlabberten sie förmlich auf. Im Ganzen ein spannender Gang.


Der Hauptgang punktete wieder bei allen auf voller Linie: Langsam geschmorter Schweinebauch mit einem wunderbar deftigen Fond, dazu Miesmuscheln, Kürbispüree und Kohl mit Totentrompeten. Der erste Cholesterin-Schock setzte bei manchen sofort ein, als ich berichtete, wie viel Butter in dem Püree verarbeitet wurde.



Auch das Dessert war hochkalorisch, aber ein voller Genuss: Es gab Maronencreme mit Apfeleis, Reispapier mit Senfkörnern bestreut und einem Schokoladen-Kaffee-Extrakt.

Während der Nebel um den Kirchenplatz waberte, floss der Wein in Strömen; die Leute tranken, genossen und verstanden sich bestens. Es wurde viel gelacht und diskutiert - ein gelungener Abend!




Quittenbrot als Betthupferl.


Montag, 3. Oktober 2011

Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt - Festlich Tafeln im Guerilla-Restaurant

Hier eine Abschrift aus der Gießener Allgemeinen vom 27. September 2011.

Es gibt leider keine Online-Version des Artikels.

Rolf Baltromejus ist in Gießen mittlerweile durch seine Performance-Dinner im Rathaus bekannt geworden. Die Idee, ein Fünf-Gänge-Menü zu entwerfen, dessen Gänge zeitge- nössischen deutschen Künstlerinnen gewidmet ist, setzt sich in seinem »Untergrund Restaurant« fort. Baltromejus lädt Liebhaber der Gourmetküche in seine private Wohnung ein und verköstigt sie nach allen Regeln der Kunst mit farbenfrohen Appetithappen. Nach dem Motto »Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt« führte das Guerilla-Restaurant am Freitagabend acht kommunikationsbereite Menschen an einem liebevoll eingedeckten Tisch zusammen.

Es fühlt sich schon ein wenig sonderbar an, wenn man die Stufen zu einer fremden Woh- nung im obersten Stockwerk eines Wohnhauses in der Innenstadt erklimmt im Bewusst- sein, nicht zu wissen, mit wem man sogleich an einem Tisch sitzen und speisen wird. Nach einem Glas Prosecco läuft alles wie von alleine. Es klingelt an der Tür, die nächsten Gäste treten ein – und was für eine Überraschung, man kennt sich. Im Laufe des Abends entwickeln sich Gespräche in geselliger Runde, in der Menschen mit den unterschiedlichsten Berufen zusammengefunden haben.

Es wird viel gelacht und viel geredet, sodass Baltromejus immer wieder die schwungvolle Konversation unterbrechen muss, um erneut die Aufmerksamkeit auf den nächsten Gang zu legen. Denn begleitend zu den dargebotenen Köstlichkeiten kommentiert der Gourmet selbst seine Ideen zur Wahl der ungewöhnlichen Zutaten. »Die marinierte Schweineschwarte, verbrüdert mit Orangenschalen, Zimt und Fenchelsamen« wird frittiert, um mit einer Guacamole als Amuse Bouche den Gaumen runterzurutschen«, beschreibt der Koch sein erwähltes Hors d’œuvre. Angelehnt an Frida Kahlos Stilleben »Früchte der Erde, 1939« serviert der Künstler im ersten Gang Maissuppe mit Pimento-Creme und frischem Koriander. Die Köstlichkeiten in den darauffolgenden Gängen finden sich im Bild »Die Braut erschrickt vor dem offenen Leben, 1943« wieder.

Die Zutaten bekommt Baltromejus nicht immer im Supermarkt um die Ecke. Für die Habanero-Chilis, die zu den schärfsten Chilis überhaupt gehören, fährt der Künstler in die Markthallen nach Frankfurt, um dort stundenlang Zutaten zusammenzusuchen. Zum Ceviche vom Wolfsbarsch mit Kokosmilch und den scharfen Habanero-Chilis passt ein Riesling aus dem Rheingau.

Baltromejus kocht mit viel Leidenschaft. Inspiriert wurde der gebürtige Laubacher, der in London Bildhauerei studiert hat, durch Kerstin Rodgers, die einen »Supper Club« in London führt. Für das Hauptgericht, das einst das Hochzeitsmahl von Frida Kahlo stellte, werden verschiedene Chilisorten geschnippelt, mit Kochbananen, Rosinen und Pflaumen geköchelt, bevor sie durch ein Sieb gestrichen werden. Das Ergebnis, Mole Poblano zur marinierter Putenbrust, ist ein kolossales Geschmackserlebnis. »Alles was in der Mole ist, muss erst mal mit heißem Schmalz in Berührung kommen«, so der Kochkünstler. Zum Nachtisch hin wird es abenteuerlich. Denn mit den Worten »Macht euch keine Sorgen, es ist garantiert nichts hier drin, was man in einem Lebensmittelgeschäft kaufen kann« wird der letzte Gang serviert: Mangosorbet auf Puderbett bestehend aus getrocknetem Karamel. Der experimentierfreudige Koch, der ein treuer Anhänger der Molekularküche ist, wanderte hierfür durch mehrere Geschäfte und Apotheken, um die Zutaten für seine Nachspeise zu finden: Glucosesirup und Maltodextrin. Wer sich traut, seinen Weg in Baltromejus Guerilla-Küche zu finden, halte aufmerksam nach einer Einladung Ausschau.

Dagmar Titsch

Dienstag, 27. September 2011

La Vida Frida

Frida Kahlo zählt wohl zu den berühmtesten Künstlerinnen der Welt. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis ich mich ihrer annahm und ein Performance-Dinner zu ihren Ehren ausrichtete.

Ein schweres Busunglück im Alter von 18 Jahren ließ Frida Kahlo monatelang bettlägerig und fast verkrüppelt zurück. Kaum einer glaubte daran, dass sie jemals wieder laufen könnte. Doch ihr ungebändigter Wille zu leben und vor allem das Malen ließen sie diese schwere Zeit hinter sich bringen.

Auch die Heirat mit dem damals schon berühmten Maler Diego Rivera war nicht immer einfach. So musste sich Frida mit Diegos Exfrau herumschlagen, die sich herausnahm, nach wie vor für ihn zu kochen. Doch schon bald wurden die ungleichen Frauen zu Freundinnen.

Da man Fridas Talent damals noch nicht erkannt hatte, war die Kasse meistens leer, und es gab wenig zu essen. Doch sobald ein Bild verkauft war, nutzte sie ihr Entgelt dafür, ein großes Fest auszurichten, bei dem es einfaches Essen gab und Bier und Tequila im Überfluss.

In manchen Aufzeichnungen kann man erkennen, dass Kahlo keine große Esserin war, und auch Schwierigkeiten hatte, größere Mengen zu sich zu nehmen. Das hing sicherlich auch damit zusammen, dass sie so oft Stützkorsetts wegen ihres Rückens tragen musste. Sie sagte aber immer, dass sie sich Mühe gibt zu essen, ihr es aber vor allem darauf ankomme, Lebensfreude zu geben und auch zu genießen.

Ihre Selbstportraits zeigen oft den zerschundenen Körper der Künstlerin und strahlen eine gewisse Morbidität aus. In den Stillleben, die sie in späteren Jahren immer öfter malte, sieht man zwar keine zerschundenen Körper; doch spielt Kahlo stattdessen mit aufgeschnittenen Früchten, die an Genitalien erinnern, und mit Früchten, die teilweise schon am Verrotten sind. Für mein Essen suchte ich mir die Bilder „Früchte der Erde“ und „Die Braut erschrickt vor dem Leben, das offen vor ihr liegt“ aus.

Diese Stillleben, aber auch das Buch von Guadalupe Rivera über die Fiestas der Frida Kahlo inspirierten mich zu meinem eigenen Kahlo-Abend, bei dem es - anders als bei Frida - keine Saufgelage gab und auch nicht das halbe Dorf eingeladen war.

Wieder einmal richtete ich ein Performance-Dinner für eine kleine Gruppe von neun Personen aus. Es gab eine Auswahl feiner Weine aus der Weinrebe am Lindenplatz und folgende Speisen:



Als Amuse Bouche servierte ich Chicharròn (frittierte Schweineschwarte mit Orangenschale und Fenchelsaat) auf Guacamole.




Dies wurde gefolgt von einer samtigen Maissuppe mit einer Pimento-Creme.


Als Zwischengang gab’s eine Ceviche vom Wolfsbarsch mit Kokosnuss (frisch und mit Kokosmilch), leicht pikant durch eine homöopathische Menge an Habanero-Chili.


Der Hauptgang bestand aus einer Mole Poblano, ganz traditionell mit Ancho-, Pasilla- und Mulatto-Chilis zubereitet; dazu kleine Maisküchlein mit Schwarzkümmel, marinierte und sehr saftige Putenbrust sowie würziger Spinat, der mit der eingekochten Fleischmarinade gewürzt worden war.


Das Dessert war angeregt durch einen Caramel-Flan, wurde aber in Form eines getrockneten Karamels präsentiert, der seinen Ursprung in der Molekulargastronomie fand und durch den Zusatz von Maltodextrin zu einem trockenem Puder verarbeitet worden war. Dazu gab es ein fruchtig-frisches Mangosorbet mit Limettenschale.



Nach lustiger Unterhaltung beschloss eine Kokos-Maracuja-Praline auf Wasser-Ganache-Basis als Betthupferl den Abend.

Montag, 26. September 2011

Noa Noa Nibbles


Franziska, die Besitzerin des Gießener Noa Noa-Ladens, war Gast bei meinem allerersten Performance-Dinner in der Kunsthalle Gießen. Kurze Zeit später fragte sie mich, ob ich denn nicht auch für ihr Geschäftsjubiläum kochen könnte.

Diese Herausforderung nahm ich gerne an und bereitete Fingerfood für 50 Personen vor:

Es gab ein Kartoffelbrot mit einem orientalisch angehauchten Butteraufstrich aus Kumin, Koriander, Petersilie und Sumak.

Außerdem buk ich ein weiteres Kartoffelbrot mit Sauerteig, gerösteten Kartoffelwürfeln, Schwarzkümmel und Rosmarin, das ich einfach dick mit Butter bestrichen und mit Schwarzkümmel bestreut servierte.

Aus selbst gemachtem Blätterteig formte ich Cheddar-Kümmelstangen.

Ein asiatisches Element der Tafel bestand aus Reisrollen, die mit einer Füllung aus mariniertem Tofu, gebratenen Champignons, Frühlingszwiebeln, Chili und Koriander aufwarteten.

Ein besonderer Leckerbissen waren Mini-Tartelettes mit einer süß-sauren Füllung aus Karotte und Kürbis mit Ziegenkäse.

Des Weiteren gab es kleine Hackbällchen aus Putenbrust und geröstetem Mais mit einer Paprikasauce sowie knusprig-klebrige Mandeln mit Ahornsirup und Ras-el-Hanout.

Wer sich hier durchgegessen hatte, konnte sich noch an dem gerösteten Haselnuss-Espresso-Kuchen gütlich tun.

Hier noch ein paar Eindrücke des Tages!

Haselnuß-Espresso-Kuchen

Kürbis-Karotten-Tartelettes

Sticky Almonds

Putenhackbällchen

Kartoffelbrot mit orientalischer Butter

Reisrollen




Pivo unterm Tisch

Sonntag, 4. September 2011

Der dritte Streich - Impressionen zu "East Meets West"

Die Performance-Dinner-Reihe neigt sich ihrem Ende entgegen. Die Rezepte sind zum dritten Mal verfeinert worden, der Tisch ist in der Kunsthalle Gießen aufgebaut. Nebenan im Konzertsaal finden die Proben für ein Big Band-Konzert statt, das eine Stunde nach Dinnerbeginn startet.

Für mich bekannte Gesichter, aber auch einige unbekannte kommen um 18.40 Uhr in die Kunsthalle und schauen sich um. Anfangs ist die Stimmung – wie meist zu Beginn –zurückhaltend; die Gäste bleiben zunächst etwas auf Distanz, zeigen jedoch auch Neugierde.

Ich berichte den Teilnehmern über die Tradition der Guerilla-Restaurants und meine Weiterentwicklung dieser Idee: Ein Künstler kocht zu einem speziellen Kunstbereich und kredenzt ein Vier-Gänge-Dinner. Es gibt also kein Essen à la carte, vielmehr wird gegessen, „was auf den Tisch kommt“. Die Guerilla-Restaurants servieren meist in den Privaträumen des jeweiligen Kochs, hier jedoch findet das Dinner in der Kunsthalle Gießen und um sie herum statt.

Schon nach der kurzen Intro und einer kurzen Pause vor dem ersten Gang hat sich die Stimmung sichtlich aufgelockert. Geholfen hat sicherlich auch der Prosecco gefolgt vom Weißwein, den es zur California Roll my way gibt. Mein Weinhändler von der Weinrebe am Lindenplatz in Gießen ist auch unter den Teilnehmern und scheint den Abend sichtlich zu genießen.

Weitere Gäste sind ein renommierter forensischer Psychiater, eine Dame aus dem Stadttheater, eine weitere aus dem Geschichtsbereich der Universität und so fort.

Hier nun einige Bild-Impressionen des letzten Abends der „East Meets West“-Reihe in der Kunsthalle Gießen.


Der Künstler beim Servieren


Erklärung zur Installation "Weltreise"

Der erste Gang: California Roll, my way

Der Hauptgang: Pochiertes Rindsfilet

Die Teilnehmer vor Masuyamas "Blumenwiese"

Kurz vor dem Dessert

New York Cheesecake vor Masuyamas Holzkugel "O"

Weitere Eindrücke




Wir trinken auf den gelungenen Abend